Aachener Sportspiegel Mai/Juni 1985


Aachener Fecht-Club 1930 e.V.


Der Aachener Fecht-Club gehört zu den stillen im Lande. Daraus macht, auch im Jahr des 55jährigen Bestehens, der 1. Vorsitzende des Vereins (66 Mitglieder), Eduard Fußgänger; keinen Hehl: „Wir haben uns bewußt immer dem Breitensport verschrieben, denn die Folgen, die eine leistungssportlichere Orientierung mit sich gebracht hätte, wären von uns nie zu tragen gewesen", umreißt der Clubchef, der dieses Amt bereits von 1954 bis 1975 und seitdem wieder seit 1982 innehat, die Situation der letzten 30 Jahre.

Klein, bescheiden als Verein, oho immerhin die Sportart, deren Werte sportlicher als auch erzieherischer Art sich sehen lassen können. Trotz ihrer anspruchsvollen Anforderungen oder gerade deswegen stellt Eduard Fußgänger den Fechtsport als eine Sportart dar, die von jedermann ausgeübt werden kann.

Voraussetzung dafür ist jedoch eine gehörige Portion Geduld, denn bevor man mit Florett, Degen oder Säbel einigermaßen umzugehen in der Lage ist, da vergeht schon ein wenig Zeit. Die Belohnung folgte dann jedoch auf den Fuß, denn wer einmal in die Geheimnisse dieser Kunst eingeführt ist, den läßt diese nicht mehr so schnell los.


Eleganz und Kampf im Fechtsport - Tugenden, die sich harmonisch ergänzen.

Wer Interesse daran hat, sollte sich nicht scheuen, einmal mit dieser Sportart Bekanntschaft zu machen. Billig der Eintritt, denn der Aufnahmebeitrag von DM 10,- und der monatliche Beitrag von DM 16,- für Erwachsene bzw. DM 10,- für Jugendliche und Studenten dürften kein Hindernisgrund für eine Mitgliedschaft im Aachener Fechtclub sein. Kostspieliger wird's dann freilich später, denn die Kosten für die Ausrüstung (Maske, Unterziehweste, Fechtjacke, Fechthose. Fechtschuhe, Fechthandschuhe) belaufen sich auf ca. DM 400.-. Nicht zu vergessen die eigentlichen Sportgeräte dieser Sportart, die weitere Ausgaben verschlingen. Geboten wird im Verein aber ansonsten an technischen Geräten alles, was für einen Wettkampf unerläßlich ist. Dazu gehört u.a. der elektronische Kombi-Melder (kostet zwischen DM 3.000,- und DM 4.000,-) oder eine rutschfeste und der Länge entsprechende Fechtbahn.

Geboten wird auch einiges in puncto Training, der Preis hierfür ist bereits im Jahresbeitrag enthalten. Wer sich davon überzeugen möchte, kann sich das Training montags und freitags (19 -22 Uhr) in der Turnhalle Sandkaulstraße, unter der Leitung von Maitre Goffin, einem internationalen anerkannten Fechtmeister der französischen Fechtschule, einmal ansehen. Denn Mitglieder sind immer willkommen, so noch einmal Eduard Fußgänger, der gern auch nähere Auskünfte über eine Mitgliedschaft gibt.

Seite 1

... so fing alles an


Gründungsjahre


Es war nicht ganz einfach, trotz einer ansonsten akribisch geführten Clubchronik, die Entstehungsgeschichte dieses nun über fünfzig Jahre alten Clubs zu rekonstruieren. Denn erstens lebt nur noch ein Gründungsmitglied in Aachen und zweitens nahm man es in den Anfangsjahren mit den Formalitäten bei Vereinsgründungen nicht so genau. Der Club ist nicht beim Amtsgericht registriert gewesen. Man fing eben einfach an. Und das sah so aus: Gefochten wurde schon sporadisch in der ATG vor 1930, aber diese Riege muß nicht sehr groß gewesen sein und führte innerhalb der Turngemeinde ein Schattendasein. Ein nach Aachen versetzter preußischer Polizeibeamter, Walter H. Hansel, scharte die ATG Fechter auf dem Dachboden des alten Präsidiums zu etwas aktiverem Training um sich. Dies muß wohl ohne Wissen der vorgesetzten Dienststellen geschehen sein. Denn die Aktiven mußten sich durch den Hintereingang mogeln. Man schaute sich nach ,,offiziellen“ Trainingsmöglichkeiten um und fand beim Rektor des IFL, Contzen, ein offenes Ohr. Von hier an setzte eine Symbiose ein, die sich bis zum Abriß der Tabothalle hielt. Symbiose deshalb, weil von nun ab auch die Studenten sich dem Sportfechten zuwandten und im Club ihre Ausbildung erhielten und Trainingspartner fanden. Um an den entsprechenden Meisterschaften teilnehmen zu können, mußte der Club Mitglied der Deutschen Turnerschaft sein, der solche Meisterschaften ausrichtete. Deshalb findet man in Zeitungsartikeln aus dieser Zeit den Zusatz D. T. hinter dem Clubnamen.


Die spezielle einarmige Fechtstellung charakterisiert optisch die hohe Kunst dieser Kampfsportart.

Der erste Fechtmeister in Aachen


Nach einigen Lehrgängen in Aachen entschloß sich Otto Killmer. Diplomfechtmeister in Remscheid, ab 1931 auch in Aachen zu unterrichten. Er wurde 1936 von dem Diplomfechtmeister der Wiener-Neustädter Schule Ernst Rischka, abgelöst. Ähnlich, wie heute bei Judo-Vereinen, steht und fällt das Renommee und Niveau eines Fechtcubs mit dem Fechtmeister (siehe Tauberbischofsheim mit Beck und der OFC-Bonn mit Maitre Coibion).

Die erste Entwicklung


Die Vor-und Nachkriegsgeschichte bleibt im fechterischen Bereich eng mit dem Namen Toni Boymanns verbunden. Als Sproß einer alteingesessenen Aachener Glaserfamilie war er Mitglied der ATG, einer der Protagonisten, die die Trennung von der Turngemeinde vollzogen. In dem von ihm mitbegründeten AFC war er einer der agilsten und auch erfolgreichsten Einzelfechter. Seit Clubgründung war er Vorfechter, d.h. er hatte den Posten des Sportwartes inne, und das bis 1960.

Seine fechterischen Erfolge holte sich der Club aber vornehmlich mit der Mannschaft. Hier waren es Städte- und Clubbegegnungen, und hauptsächlich Teilnahmen an turnerischen Veranstaltungen wie Bezirks-, Gau-, Landes- und Grenzlandturnfesten. Die Städtebegegnungen fanden mit Rheydt, Krefeld, Düsseldorf und dem AFC statt. Auch ins benachbarte Belgien gingen die Begegnungen, so zwischen Verviers und Lüttich. Bemerkenswert ist ein Fünfkampf vom 17.9.1931, an dem Vertreter des AFC und des Eilendorfer TV teilnahmen. Ebenso tauchen auch die Fechtriege des ATV von 1847 und der Polizeisportverein auf, der Burtscheider TV mit einem Säbelfechter und einem Florettfechter 1932.

Gesellschaftliches Clubleben


Bis Kriegsbeginn hatte der AFC ein ausgeprägtes Clubleben, das um einiges über den normalen Fechtbetrieb hinausging. Das hing wohl auch mit der homogenen Altersstruktur der damaligen Mitglieder zusammen: sie waren alle so um die dreißig. An der Spitze steht die regelmäßige Durchführung der Stiftungsfeste im Clublokal Cloubert auf dem Ternplergraben. wobei auch schon mal selbstgeschossene Hasen verzehrt, und ein Stiefel Wacholder anläßlich eines Geburtstages gehoben wurde. Sieht rnan die Bilder aus der damaligen Zeit, so bekommt man eine Vorstellung davon, was zu einem zünftigen Clubleben gehörte: Clubmeisterschaften, Clubfahne, Anfängerprüfungen, Stammtischwimpel und Clubabzeichen. Schlips und Kragen bei den Herren verstand sich von selbst, nicht zu vergessen die diversen Eifeltouren mit Damen. Grund hierzu war, daß der damalige Vorsitzende, Reg.-Baumeister Gunzelmann, in der Eifel gerade für den Bau einer Talsperre verantwortlich war.

Politisch hat der AFC sich konform, mindestens aber neutral verhalten, wenn man bedenkt, daß T, Boymanns als Nicht-PG Sportfechtwart des Kreises Aachen und Vorfechter des Clubs blieb. Seine fechterischen Qualitäten waren so gefragt bei der Partei, daß man ihn als Referent nach Vogelsang bat. An den obligatorischen Mai-Umzügen nahm der AFC wie jeder andere Club teil und veranstaltete auch ein Turnier zugunsten des Winterhilfswerks.

Die Eintragungen in der Chronik reichen von der „glorreichen Zeit“ bis 1938 und enden bezeichnenderweise mit einer Todesanzeige im Jahre 1939.

Seite 2

Die Entwicklung nach dem Krieg


Wiederbeginn


Die Chronik beginnt nach dem Krieg mit dem Jahr 1950. Vorher wagte der AFC, trotz des Fechtverbotes der Alliierten, die Klingen zu kreuzen. So fuhr man schon zu Beginn der 50er Jahre auf ein Turnier nach Luxemburg und Frankreich, und mußte sich herbe Kritik des Deutschen Fechterbundes gefallen lassen. Bemerkenswerterweise machten die Franzosen den Vorschlag, Aachen unter Aix la Chapelle starten zu lassen, um eventuellen Querelen aus dem Weg zu gehen, ein anderes Mal startete der AFC als Vertretung des Saarlandes. Nachkriegsgewitzheit. Trainiert wurde wieder in der Talbothalle, jetzt aber in den seitlichen Holzbaracken unter dem Fechtmeister der TH, Adam Erik Dorsch. (Ab Kriegsende war die Stelle des TH-Fechtmeisters immer identisch mit der Meisterstelle im Club.) Auch die Mannschaften waren teilweise identisch. Am 5.5.1951 hielt der AFC seine erste Mitgliederversammlung seit der Neugründung (13.1.1951) ab; im ,,neuen" Clublokal Bierstall auf der ersten Etage, in der Wirichsbongartstraße 2.

Wettkämpfe


Wie man vor dem Krieg aufgehört hatte, so ging es nach dem Krieg weiter. 1950 erste Begegnung zwischen dem OFC Bonn und dem AFC und der TH. 1951 folgen Aufstiegskämpfe in die nächsthöheren Klassen des nun neuorganisierten Deutschen Fechterbundes; 1952 gar ein Jugend- Länderkampf im Degen mit Luxemburg: bei dem schon klangvolle Namen vertreten waren Waterloh, Zimmermann auf deutscher Seite, bei den Luxemburgern Schmidt und Theissen. Diese beiden sollten AFC-Geschichte schreiben. Der AFC wurde ein „Degen-Verein“. Seine stärksten Fechter traten im Degen an. Es folgten die Fechtunion Graz und Uni Lüttich. Auch die Turnierreisen wurden wieder aufgenommen, unter manchmal abenteuerlichen Umständen, heute vielleicht wieder „in“; aber damals mit Sprit, Verpflegung und Fechtsachen zu zweit auf dem Motorrad im Winter über Land nach Paris unterwegs, muß schon ein Abenteuer gewesen sein. So meinten jedenfalls die Degenfechter Anschütz und Nagel. Innerhalb der Bundesrepublik Deutschland ging es vornehmlich auf Degenturniere, so nach Soest, Saarbrücken, Mönchengladbach. Hannover und Düsseldorf. Ein großes Turnier fand in Stolberg statt, und 1954 veranstaltete der AFC sein erstes großes Degenturnier um den Wanderpreis der Stadt Aachen, eine Statuette des Reiterbildes von Karl dem Großen. Es gelangte fünfmal zur Austragung und endete mit dem endgültigen Gewinn durch Spora Luxemburg. 1957 qualifizierte sich der AFC zur „Deutschen“ nach Hamburg und belegte dort den dritten Platz im Degen. Nach dieser erfolgreichen Zeit wurde es ruhig um den AFC, so ruhig, daß man in Aachen kaum mehr wußte, daß die Sportart Fechten vorhanden war. Die Nachwuchsarbeit gestaltete sich schwierig. obwohl mit Maitre Goffin ein hochqualifizierter Fechtmeister in Aachen arbeitete. Auf ihn sind die Erfolge im Degen auch zurückzuführen gewesen.



Ziel des Fechtens ist das Anbringen gültiger Treffer auf die Treffläche des Gegners, ohne selbst getroffen zu werden.

M. Goffin arbeitete nach einem Intermezzo des schillernden Fechtmeisters Brinkmann in Aachen jetzt 30 Jahre und dürfte wohl der dienstälteste Fechtmeister eines Clubs sein. Er ist noch ein Vertreter der klassischen französischen Schule, die im Vergleich zu den übrigen Stilen eher als Filigranarbeit bezeichnet werden kann. Hier ist man auch geneigt, von „Fechtkunst“ zu sprechen. Daß dieser Fechtstil nur mit sehr viel Zähigkeit und Konzentration zu erlernen ist, macht das Sportfechten in der heutigen, auf schnellen Erfolg gerichteten Zeit, zu einer wenig attraktiven Sportart. Diejenigen, die diese Schule beherrschen, haben keine Mühe mit ihren Gegnern und fechten bis ins hohe Alter.

1971 fand ein letztes großes Freundschaftsturnier statt, an dem der Nato-Club aus Brunssum, die Militärsportschule Eupen, die belgischen Vereine La Licorne aus Nivelles und La Sauveniere aus Lüttich, der CS Bourges aus Frankreich und der Heerlener Fechtclub teilnahmen. Aus dem Rheinland kamen TV Kenten und der „Rheinische“ aus Düsseldorf. Hier endet auch die Chronik.

Der Niedergang des AFC ist mit Sicherheit auch auf die Trennung von der TH zurückzuführen. Die Wechselbeziehung war der Lebensnerv für beide. Seither führen beide ein Schattendasein auf der bundesrepublikanischen Fechtszene.

Zukunftsperspektiven


Es tut sich was. In den letzten drei Jahren nahmen die Turnierbesuche um praktisch 200% zu, die Teilnahme an den entsprechenden Ausscheidungen wird von den Fechtern wahrgenommen. Das kann schon hektisch werden, wenn man bedenkt, daß es Turniere in 4 Waffen (Herren- und Damenflorett, Degen und Säbel) und 5 Alterseinteilungen gibt, dazu noch die Startmöglichkeit im Einzel und in der Mannschaft. Aber man muss klein anfangen, will man haltbaren Erfolg haben. So liegt vor den meisten die Hürde, die Bezirksausscheidung, ehe es auf die Rheinischen, von da aus zu den Deutschen gehen kann. Im Einzel ist das hin und wieder möglich, mit der Mannschaft so gut wie aussichtslos. Hier sind die renomierten Clubs aus Bonn, Dormagen und Düsseldorf dominierend. Aber auch die „ländlichen“ Vereine haben nicht geschlafen. Der TSV Kenten-Bergheim bringt gute Säbelfechter und Quadrath-lchendorf hat eine gute Herrenflorettmannschaft. Will man in diesem illustren Kreis mithalten, so müßte man mehr investieren als bisher geschieht. Zweimal Training in der Woche ist im Vergleich mit anderen Vereinen ein Tropfen auf den heißen Stein. Also huldigt man lieber der Devise „klein, aber fein“. So hat der AFC sich lieber dem Breitensport als dem Leistungssport verschrieben. Denn um ein Tauberbischofsheim zu werden, da bedarf es eines Fanatikers wie Emil Beck, der es sich geleistet hat, das Fechten als seinen Beruf zu ergreifen.

Die derzeitige Struktur des AFC ist so ungünstig, wie man es sich nur denken kann. Sie liegt bei einer Alterszugehörigkeit von unter zwanzig Jahren bei 75%. Es fehlt also ein gesunder Mittel- und Überbau. Hinzu kommt das studienbedingte Abwandern von Abiturienten, die der Zwangsbewirtschaftung unterliegen. Für den einzelnen mag das ganz nützlich sein, mal aus Aachen heraus zu kommen, für den Club ist das Gift. Bei einer Mitgliederzahl von ca. 50 liegt die ehrenamtliche Clubführung auf den Schultern einiger weniger „gestandener“ Mitglieder. So ist mit einer ca. 7jährigen Unterbrechung E. Fußgänger seit 1957 Vorsitzender des AFC, G. Selt seit Jahren Kassenwart und I. Fenske Fechtwart. Der Sportwart, der 1956 im AFC das Laufen lernte, ist nach 25 Jahren wieder in Aachen und kümmert sich mehr schlecht als recht um die fechtorganisatorischen Dinge, wie Anfängerprüfung und Turnierbesuche.

Im letzten Jahr wurde ein Austausch mit Brüssel und Reims in die Wege geleitet, den es am Leben zu erhalten gilt.

Seite 3
Seite 4